Saison 2019/2020

14./15./16.2.2020 München Philharmonie
Gustav Holst: The Planets
Münchner Philharmoniker
Dir.: Krzysztof Urbanski

SZ vom 16.2.2020
Kurzkritik
In fremden Galaxien
Münchner Philharmoniker überzeugen mit der "Star Wars"-Suite
Von David Renke

Es gehört eine gewisse Portion Mut dazu, den Münchner Philharmonikern vorzuschlagen, Filmmusik zu spielen, zumal die Stadt mit dem Rundfunkorchester oder den Symphonikern Alternativen anzubieten hat, die über die größere Erfahrung auf diesem Gebiet verfügen. Wenn Krzysztof Urbański allerdings die Philharmonie mit der "Cantina Band", einem der bekanntesten Stücke aus John Williams' Soundtrack zu "Star Wars", für knappe drei Minuten in eine verruchte Jazzkneipe mit swingenden Saxofonen, kreischenden Klarinetten und schnipsenden Streichern verwandelt, hat sich das Experiment gelohnt.

Außerdem geht der polnische Dirigent insofern auf Nummer sicher, da er die Suite "Star Wars" in den Kontext ihres spätromantischen Vorbilds stellt. Dass John Williams freimütig zugibt, Gustav Holsts "Planeten" hätten ihn inspiriert, ist kaum zu überhören. Für Urbański ist diese vielfarbige, differenzierte Programmmusik genau das richtige Metier. Solch klangliche Nuancierungen aus den Philharmonikern herauszuholen, wie es ihm gelingt, können momentan nur wenige Dirigenten.

Das tröpfchenweise perlende Scherzo, das den Planeten Merkur mit dem immer gleichen Thema beschreibt, geht er wunderbar quirlig und schillernd an; Saturn dagegen geriert sich als ausgreifende Ballade, die mit noblem Continuo durch und durch britisch klingt. Sphärisch ist schließlich, wie die Damen des Philharmonischen Chores, nicht sichtbar im Foyer platziert, Neptun mystisch ins Nichts verwehen lassen. Fein balancierte Klangfarben haben hier Vorrang vor plakativer Effektmusik.

Ähnlich verhält es sich mit der Filmmusik zu "Star Wars", die stark am symphonischen Gestus orientiert ist. Präzise arbeitet Urbański die bekannten Melodien heraus, lässt die Philharmoniker satt klingen und wiederholt zum Abschluss einen Teil des letzten Suitensatzes als Ad-Hoc-Zugabe, auch das eine Seltenheit bei einem Abo-Konzert. Das Experiment ist tatsächlich rundum gelungen.

AZ vom 16.2.2020
Galaktischer Spaß
Die Münchner Philharmoniker spielen Gustav Holst und die Suite aus „Star Wars“ von John Williams

An jeder Plakatwand dieser schönen Stadt werden Konzerte mit Filmmusik angekündigt. Da drängt sich – nicht nur notorisch schlecht gelaunten Kulturkritikern – die Frage auf, ob angesichts dieses reichen Angebots auch noch die Münchner Philharmoniker unbedingt „Star Wars“ spielen müssen. Müssen tun sie’s natürlich nicht. Aber wenn es sogar die konservativen Wiener Philharmoniker tun, brauchen ihre Münchner Kollegen dafür keine Entschuldigung. Denn die Musik von John Williams liefert dafür die besten Argumente.Wer „Star Wars“-begeisterte Kinder hat, der weiß, dass sich die Musik auch durch häufigen Genuss nicht abnutzt. Wenn man das „Asteroidenfeld“ in eine schwächere Symphonie von Dmitri Schostakowitsch einschmuggeln würde, würde das nicht nur niemandem auffallen, es wäre sogar ein Gewinn. Und es ist ein Riesenspaß, wenn die philharmonischen Holzbläser unmittelbar nach dem düster-dämonischen „Imperial March“ das Saxofon herausholen und die Philharmonie mit der Musik der Cantina-Band in eine schummrige Bar verwandeln. Vor der Suite aus „Star Wars“ dirigierte Krzysztof Urbanski elegant und metiersicher „The Planets“ von Gustav Holst. Damit wurde ohrenfällig, wie die symphonische Filmmusik von John Williams auf der Spätromantik aufbaut und dass sie ihre Vorbilder teilweise so hemmungslos plündert, wie sich Holst selbst bei den Enigma-Variationen seines Kollegen Edward Elgar und dem „Zauberlehrling“ von Paul Dukas bedient hat. Die Musik von Holst und Williams lässt sich kaum interpretieren, sie muss vor allem wirkungssicher und transparent gespielt werden. Da leisteten sich weder die Philharmoniker noch die bei den „Planeten“ aus dem Off singenden Damen des Philharmonischen Chors (Einstudierung: Andreas Herrmann) oder der Klangregisseur am Pult irgendwelche Schwächen. Die Enkeltauglichkeit dieses Konzerts senkte den Altersdurchschnitt in der Philharmonie. Und weil dieses Konzert offenkundig sowohl für die Musiker wie die Zuschauer ein großer Spaß war, wiederholten die Philharmoniker den Schluss der „Star Wars“-Suite als Zugabe.

Robert Braunmüller

BR - 15.02.2020
KRITIK – MÜNCHNER PHILHARMONIKER MIT "STAR WARS"
AB INS ALL
von Henrik Oerding

"Star Wars" ist ein Klassiker der Filmgeschichte, auch wegen der Musik, die ja eigentlich recht spätromantisch ist. Im klassischen Abonnementkonzert hört man die Musik trotzdem selten. Die Münchner Philharmoniker und Krzysztof Urbański stellen nun "Star Wars" neben "The Planets" von Gustav Holst.

Die Rolle der Filmmusik im deutschen Konzertbetrieb ist recht einfach: Bei Events, Open-Air-Festivals und Kinderkonzerten sorgt sie für Publikumsandrang und Kartenverkauf. So richtig ernst genommen wird sie aber nicht, erst Recht nicht bei deutschen Spitzenorchestern. Dass "Star Wars" also in der 122. Spielzeit der altehrwürdigen Münchner Philharmoniker in einem klassischen Abonnementkonzert auf dem Programm steht, ist ein Jedi-Ritterschlag für diese Musik.

Nicht, dass das für den erfolgreichen John Williams wichtig wäre, womöglich aber für die Programme künftiger Konzerte. Bei den Philharmonikern steht "Star Wars" nicht neben anderer Filmmusik, sondern – vollkommen gleichberechtigt – neben "The Planets" von Gustav Holst. Dirigent Krzysztof Urbański sagte vor dem Konzert über die "Star Wars"-Musik: "Ich bin mir sicher: Wenn Tschaikowsky 100 Jahre mehr gehabt hätte, dann würde seine 20. Symphonie so klingen."

"STAR WARS" ZWISCHEN ROMANTIK UND SWING

Spätromantisch klingt die Musik von Williams wirklich. Aus dem Filmsoundtrack hat er im Nachhinein ganze Orchesterstücke gemacht. Natürlich gibt es die berühmte Titelmelodie, natürlich kommt Luke Skywalker, natürlich Darth Vader. Die Philharmoniker spielen das in großer Besetzung, das Fortissimo wirkt entsprechend überwältigend. Einer der Höhepunkte ist aber die "Cantina Band", ein kleines Stückchen im Benny-Goodman-Stil. Da kreischen die Klarinetten und Saxophon, die Geigerinnen und Geiger schnipsen, die Schlagzeuger swingen.

"The Planets" sind dazu das richtige Gegenstück – nicht nur wegen der Weltallthematik. Beide Werke bestehen im Konzert aus sieben Sätzen, alle sehr unterschiedlich, manche sehr melodiös, andere eher impressionistische Klangmalereien. Nachdem man "The Planets" gehört hat, hört man bei "Star Wars" überall Bezüge: der Bösewicht Darth Vader klingt wie der "Kriegsbringer" Mars, die Prinzessin Leia wie die friedvolle Venus. Gustav Holsts Einfluss auf die Filmmusik wird so mehr als deutlich.

URBAŃSKI DIRIGIERT UND TANZT

Krzysztof Urbański ist genau der richtige für dieses Programm. Er dirigiert auswendig und nutzt den gewonnen Platz auf seinem Podium: Er springt, tanzt, steht mal für einen Moment auf nur einem Bein, grinst schelmisch. Das Orchester macht den Spaß mit, manchmal geht ein wenig die rhythmische und tonliche Präzision verloren, aber das ist nicht schlimm – denn mitreißend ist das alles.

Besonders eindrucksvoll ist das Ende von "The Planets": Ganz leise verschwindet da der Frauenchor des Philharmonischen Chors München in die Weiten des Alls. Die gespannte Stille danach: Die gibt es dann eben doch nur im Konzertsaal.

Münchner Merkur vom 17.2.2020
Mut zum Pa­thos
Phil­har­mo­ni­ker mit „Star Wars“ und Holst
VON TO­BI­AS HELL

„Stars Wars“ ist seit mehr als vier Jahr­zehn­ten Kult. Und auch wenn sich über die Qua­li­tät der di­ver­sen Pre­quels und Se­quels der Welt­raum-Saga vor­treff­lich strei­ten lässt, einer scheint über jede Kri­tik er­ha­ben: John Wil­liams, ohne des­sen Musik die neun Haupt­fil­me höchs­tens halb so gut wären. Mit sei­nen Me­lo­di­en konn­te im Herbst nicht nur Anne-So­phie Mut­ter den Kö­nigs­platz fül­len, auch den Phil­har­mo­ni­kern brach­te die „Star Wars“-Suite nun drei­mal eine volle Phil­har­mo­nie im Gas­teig: mit einem er­freu­lich ge­misch­tem Pu­bli­kum, dem man vor der Pause al­ler­dings noch ein­mal ins Ge­dächt­nis rief, woher Wil­liams die In­spi­ra­ti­on nahm.

Rü­cken an Rü­cken gab es da so­wohl bei Gus­tav Holsts „Pla­ne­ten“ als auch beim preis­ge­krön­ten Sound­track so man­ches Aha-Er­leb­nis. Ge­ra­de weil Di­ri­gent Kr­zysz­tof Ur­bá­n­ski beide Werke mit glei­cher Liebe zum De­tail, aber auch mit Mut zum Pa­thos ze­le­brie­ren ließ. Etwa den ur­eng­li­schen „Ju­pi­ter“ oder den ra­san­ten Flug durchs „As­tro­id Field“. Spä­tes­tens beim von Holsts „Mars“ be­ein­fluss­ten „Im­pe­ri­al March“ und der hef­tig be­ju­bel­ten „Can­ti­na Band“-Epi­so­de mit ka­ri­bi­scher Steel

Drum be­gann auch bei den letz­ten Phil­har­mo­ni­kern das se­riö­se Po­ker­face auf­zu­wei­chen. Gut, die eine oder an­de­re Spaßbrem­se war links außen in den Strei­chern na­tür­lich immer noch aus­zu­ma­chen. Aber auch diese ein­sa­men Na­sen­rümp­fer soll­ten be­den­ken, dass eine sorg­sam ge­pfleg­te Bruck­ner-Tra­di­ti­on al­lein auf lange Sicht wo­mög­lich nicht rei­chen wird, um kon­stant neues Pu­bli­kum zu ge­ne­rie­ren. Und dass es bei allen hoch­kul­tu­rel­len Am­bi­tio­nen nicht scha­den kann, sich ab und zu auch mal ein wenig auf die Men­schen zu­zu­be­we­gen.


31.1./1.2.2020 München Philharmonie
Maurice Ravel: Daphnis et Chloé
Münchner Philharmoniker
Dir.: Valery Gergiev

bachtrack.com vom 3. Februar 2020
(...) Was Gergiev allerdings aus seinen Philharmonikern und dem Philharmonischen Chor herausholte, war wohlmöglich das tatsächlich Spektakuläre des Abends. So fein abgeschmeckte Klangfarben, wunderbar musizierende Solisten und ein Chor, der die clusterhaften Klangglissandi detailreich aufgefächert und herrlich ausbalanciert sang, hört man auch im Gasteig selten. (...)

SZ vom 4.2.2020
Münchner Philharmoniker
Tanz der Klangkörper
Mphil 360 Grad - Beim 360-Grad-Festival gehen Klassik und Elektro-Swing, Ballett und Sprechgesang unmittelbar ineinander über. Das Konzept hat viele Stärken und ein paar Schwächen
Von David Renke, Rita Argauer und Eva-Elisabeth Fischer

Die Eröffnung des 360-Grad-Festivals der Münchner Philharmoniker wird quasi doppelt und gleichzeitig bestritten. Ganz traditionell mit einem Konzert in der Philharmonie. Und etwas jünger, experimenteller und clubbiger in der benachbarten Muffathalle. Ganz im Sinne des Festivalkonzepts, das Brücken von der Orchesterklassik in alle möglichen Richtung bauen soll. So wird der zweite Teil des Eröffnungskonzerts aus dem Gasteig per Video-Livestream in die Muffathalle übertragen. Ravels "Daphnis et Chloé"-Ballett zum Auftakt eines Abends also, der vielsagend mit "It Takes Two To Tango" betitelt ist. Eine gute Idee, denn die Körper der Mariinsky-Tänzer wirken auch auf Großleinwand, wenn man bei der Musik Abstriche in Kauf nehmen musste.

Eine gute Stunde früher hat das Konzert in der Philharmonie begonnen. Mit Debussys "Prélude à L'Après-midi d'un faune" wird das Festival eröffnet. Dieses verschlafen-verspielte Erwachen des erotisierten Herumstreifens, das Nijinsky 1911 in seine berühmte Choreografie hineinschrieb, trifft das Orchester unter Valery Gergiev gut. Für größte Differenzierung aber sorgt im Anschluss Anja Harteros mit Alban Bergs "Sieben frühe Lieder". Die dunklen, nächtlichen Aspekte der Liebe findet sie mit einem grandios darauf eingehenden Orchester in stimmlich kühlem Farbton, den sie immer wieder ganz plötzlich zu schönster Wärme hin öffnet. Dieses Wechselspiel aus emotionaler Offenheit und Unterkühlung koppelt sie an Harmonien und Text - eine wahre Freude.

Eine solche emotionale Vielschichtigkeit bietet die Münchner Erstaufführung der Choreografie von Vladimir Varnava zu Ravels Ballettmusik "Daphnis et Chloé" mit Tänzern des Mariinsky-Balletts leider nicht. Es gibt fünf Paare, die erst vereinzelt, dann im Pas de Deux den Weg des antiken Liebespaares nachzeichnen. Doch die Choreografie vermag keine einheitliche Sprache zu finden. Auf die furios musizierte Partitur wird modern gewirbelt und gedreht, immer wieder gelaufen und gerannt. Das Stück setzt sich so meist aus tänzerischen Lückenfüllern zusammen, wagt den Schritt zu völliger Abstraktion aber nicht. Aussagekräftige Bewegungen und Figuren sind rar. Das rettet auch ein Berg roter Rosen am Ende nicht.

Im Anschluss an das Konzert im Gasteig eilen ein paar Musiker der Philharmoniker in die Muffathalle, um weiterzuspielen. Piazollas "Vier Jahreszeiten von Buenos Aires" mit Konzertmeister Lorenz Nasturica-Herschcowici als genialem Solisten-Dirigenten, der sein Kammerorchester stampfend, schnaufend und schnipsend anleitet. Solche Leidenschaft und körperliche Anstrengung kommt gut an, auch wenn der Zeitplan hinterher hinkt. Um elf Uhr schaut Valery Gergiev selbst vorbei und hört zu. Anschließend geht es nahtlos über zu Elektro-Swing und Lindy Hop im Ampere, wo Klaus Waldeck mit seinem Orchester und die Sängerin Patrizia Ferrara die Dreißigerjahre musikalisch aufleben lassen. Auch hier stehen wieder Mitglieder der Philharmoniker auf der Bühne, die bis halb eins durchhalten, bevor Ferrara mit "Memories" den Rausschmeißer singt.

Auch am Samstagabend wird in der Muffathalle getanzt. "Young & Wild: Modern Dance & Mariinsky Ballett" heißt es: Jung sind sie alle, die Musiker, die Choreografen und die gespenstisch übertrainierten Tänzer. Wie die vier folgenden, huldigt auch das Auftragswerk "Sous le coupole" dem akademischen Tanz. Es ist die makellose Rückenansicht der Maria Shirinkina, ausgestellt auf einem Tisch samt drei Herren drumherum, die als schönes Zwanzigerjahre-Tableau vivant einem Tanz auf dem Vulkan camouflierter Gefühle vorangeht. Thema gesetzt, Aufgabe von Ilya Zhivoi tadellos, aber allzu brav arrangiert. So geht es weiter. Mit einer Ausnahme: Bei Vasily Tkachenko spürt man ihn, den animalischen Trieb zu tanzen. Ihm hat Maxim Petrov mit "Keep" ein fulminantes Solo auf den Leib choreografiert. Vogelwild. Endlich.

Wild ist auch Strawinsky, wenn auch dessen "L'Histoire du Soldat", die den Festivalsonntag in der Muffathalle eröffnet, schon mehr als 100 Jahre alt ist. Doch, wo die Werke des Eröffnungsabends noch grundthematisch etwas Romantisches hatten, zeigt die Geschichte des Soldaten wie nahe Strawinsky 1917 schon an Brechts Ideen zum Dialektischen Theater war. Die Musiker der Philharmoniker spielen dieses verflucht schwierige Stück, in dem die Musik immer wieder in musikhistorische Verkleidungen schlüpft, mit Verve und Lust. Die ursprünglich vorgesehenen Tänzer hat man sich hier gespart, dafür erzählen drei Sprecher, in Reimen neu zusammengesetzt, die Geschichte eines Soldaten (Peter Jordan), der sich, um den Schützengräben zu entkommen, vom Teufel (Jeanne Devos) verführen lässt und letztlich eine Prinzessin heiratet. Thomas Quasthoff wird als Erzähler samt Sprechgesang dabei beinahe zum Rapper und das politisch verquere Stück bekommt zwischen Albernheit und Grauen eine aktuelle Schlagseite.

Anschließend gehört die Bühne dem Nachwuchs. Das Selbstbewusstsein, das die Preisträger des Tschaikowsky-Wettbewerbs mitbringen, zeigt sich auch an den Werken. Sergei Dogadin, Sieger im Fach Violine, und Mao Fujita, Zweitplatzierter im Fach Klavier, spielen Francks Violinsonate A-Dur. Das ist durch Dogadins vibratosattes Spiel dramatisch und packend zugespitzt. Als Begleiter hat Mao Fujita bei den drei Recitals mit fünf Werken ein Mammutprogramm zu absolvieren, ist als Begleiter von Ravel ebenso überzeugend wie bei der "Introduction et Polonaise" von Chopin, die er mit Zlatomir Fung interpretiert.

Zum Abschluss des Festivals beim "Café de Paris" darf Mao Fujita mit Mozarts Romanze aus dem d-Moll-Konzert auch solistisch auftreten. Präzise arbeitet der Japaner die Stimmen heraus, macht die Partitur sehr transparent, sein Spiel wirkt jedoch nie klinisch, dazu ist seine Interpretation zu raffiniert und detailreich. Die anschließende Streicherserenade von Tschaikowsky gelingt den Philharmonikern auch in der staubtrockenen Akustik der Muffathalle beeindruckend differenziert. Das Kammerorchester unter Gergiev spielt den zum Pathos neigenden Kopfsatz mit vibrierender Frische und den Walzer des zweiten Satzes mit fast wienerischem Charme. Nach drei Tagen im Dauereinsatz gibt es schließlich ein furioses Finale mit virtuos fein ziselierten Läufen.

Münchner Merkur vom 4.2.2020
46,5 Stunden Musik und Tanz
Münchens Philharmoniker liefern beim Festival „MPhil 360˚“ eine beeindruckende Werkschau
VON TOBIAS HELL

Während sich die Staatsoper für ihre Festspiele einen ganzen Monat gönnt, fiel die jährliche Werkschau der Philharmoniker auch diesmal wieder deutlich kompakter aus. Das tat der Vielfalt jedoch keinen Abbruch. Ganze elf Konzerte galt es beim Festival „MPhil 360˚“ innerhalb von knapp 46,5 Stunden zu erleben.

Am Freitagabend zunächst in der voll besetzten Philharmonie, wo Ideengeber Valery Gergiev mit einer fein aufgefächerten Wiedergabe des „Après-midi d’un faune“ die Messlatte so hoch legte, dass die „Sieben frühen Lieder“ danach beinahe schon abfallen mussten. Was auch daran liegen mochte, dass Anja Harteros bei den für sie eher tief liegenden Kompositionen die volle Leuchtkraft ihres Soprans nur selten einsetzen konnte.

Ein Erfolg auf der ganzen Linie war dagegen Ravels „Daphnis et Chloé“: Sowohl fürs Orchester, das hier einen wahren Klangrausch zelebrierte, als auch für das phänomenale Mariinsky Ballett, das dazu eine effektvolle Choreografie von Vladimir Varnava präsentierte.

Dass die danach als Bonus in der Muffathalle aufgeführten „Four Seasons of Buenos Aires“ von Astor Piazzolla mit dem Festivalthema „Paris in den 1920ern“ nicht wirklich zu tun hatten, sei da gnädig verziehen. Lieferte der aus dem Gasteig herübergeeilte Konzertmeister Lorenz Nasturica mit der Kammerformation der Philharmoniker doch ebenfalls eine unmittelbar in die Beine gehende Lesart dieser feurigen Komposition. Dies wurde wachsam beäugt von Gergiev, der wie Philharmoniker-Intendant Paul Müller am Bühnenrand sichtlich Spaß am Fremdgehen seiner Truppe hatte – und sich anschließend auch noch kurz ins angrenzende Ampere wagte. Hier durfte das mit Tango-Rhythmen auf Betriebstemperatur gebrachte Publikum endlich selbst die Tanzfläche erobern – zu stilvollem Ballroom-Swing mit Bandleader Klaus Waldeck, unter dessen Musiker sich erneut einige Philharmoniker gemischt hatten.

Ein Programm gespickt mit aparten Kombinationen, das jedoch bestens aufging. Dies belegte neben erfreulich vielen jungen Gesichtern im Gasteig unter anderem eine langjährige Abonnentin, die an diesem Abend zum ersten Mal den Weg ins Muffatwerk gefunden hatte und auf dem Heimweg noch schnell den Monatsspielplan in der Handtasche verstaute. Erste Wiederholungstäter gab es übrigens schon beim samstäglichen Familienkonzert. Und dies sowohl im Saal als auch auf dem Podium. Denn selbst, wenn man dem permanent durch die Welt jettenden Valery Gergiev so manches vorwerfen kann, mangelnde Einsatzbereitschaft zählt definitiv nicht dazu. Im Gegensatz zu vielen seiner GMD-Kollegen war er sich nämlich keineswegs zu schade, hier auch fürs junge Publikum ans Pult zu treten.

Einen kleinen Druckfehler schien das Programmheft lediglich beim Tanz-Projekt „Young & Wild“ zu enthalten – konnte man vieles vom dort Gezeigten doch eher mit „Jung & Mild“ übersetzen. Von den Damen und Herren des Mariinsky Balletts wurde natürlich auch dies in vollendeter neoklassischer Eleganz getanzt. Dem ursprünglichen Motto entsprachen aber nur das mitreißende Solo „Keep“ und der erotisch knisternde Geschlechterkampf, den Choreograf Ilya Zhivoi mit „A Flashback“ zur Musik von Arvo Pärt zeigen ließ.

Klein, aber fein war schließlich noch Strawinskys „Histoire du soldat“, die den dritten Festivaltag eröffnete, und mit Thomas Quasthoff einen höchst eloquenten Erzähler aufbot. Ihm gelang im Verbund mit den Philharmonikern ein Spagat zwischen schwarzem Humor und Melancholie im Schatten des Krieges, ehe es mit einem Kammermusik-Marathon der Tschaikowsky-Preisträger auf die Zielgerade dieses vollgepackten Wochenendes ging.

AZ vom 3.2.2020
Der Gasteig als Bühne

Valery Gergiev dirigiert „Daphnis und Chloé“von Maurice Ravel mit Ballett, Anja Harteros singt Alban Berg beim Festival „Mphil 360 Grad“ der Münchner PhilharmonikerGebäude können sein wie Menschen und einen immer wieder überraschen. Wie etwa die Philharmonie. Wer hätte gedacht, dass man auf ihrer Bühne eine veritable Ballettproduktion unterbringt? Die Münchner Philharmoniker rücken mit ihrem Chefdirigenten Valery Gergiev ganz in den Hintergrund und schaffen somit Platz für das Mariinsky Ballett aus Sankt Petersburg, genauer gesagt, zehn seiner Solistinnen und Solisten.Gegeben wird „Daphnis und Chloé“ von Maurice Ravel in einer ansprechend einfachen Kulisse: Stilisierte Himmelskörper und Schilfrohre zeichnen die antike Welt der ägäischen Insel Lesbos. Die Kostüme, schwarze Hosenanzüge für beide Geschlechter, sind neutral, offen, geeignet für ein flüssiges Erzählen.So sind die Hauptfiguren auf alle Tänzer aufgeteilt. Es gibt hier fünf Paare, die abwechselnd im Mittelpunkt stehen und die Geschichte in der entspannt athletischen Choreographie von Vladimir Varnava entspinnen. Wenige Requisiten genügen: Mit Masken und Meckerlauten spielen die Tänzer etwa die Ziegenherde, von der Daphnis aufgezogen wird.Später reicht ein cooles Herunterlassen der Hosen, um das erotische Erwachen der jungen Liebenden zu symbolisieren. Mit sparsamer Körperbemalung sind die Seeräuber gezeichnet, welche die Idylle stören.Der Vorteil dieser Produktion ist, dass sich zum Orchester eine echte Nähe herstellt. Die Münchner Philharmoniker wirken wie eine natürliche Fortsetzung der Tanzhandlungen, zumal Gergiev es versteht, die Klangorgien von Ravels Musik bewegt zu halten und Höhepunkte organisch zu setzen. Sogar der Philharmonische Chor findet irgendwie noch Platz im Raum und steuert mit hypnotischer Ruhe seine textlosen Vokalisen bei. Die von vielen so ungeliebte Philharmonie bewährt sich als Handlungsort für die szenische Aufführung eines ausgewachsenen Balletts. In ihrem Changieren zwischen spätromantischer Emphase und impressionistischer Traumsprache ergeben die „Sieben frühen Lieder“ von Alban Berg eine perfekte programmatische Ergänzung. Der Komponist hat sie für mittlere Stimme angelegt. Ereignishaft ist, wie viel Anja Harteros aus den für einen Sopran eher undankbaren Passagen macht.Ihre Stimme verfügt nicht nur über eine idealistisch sich aufschwingende Höhe, sondern eben auch über eine begeisternd schöne Tiefe, deren dunkelrot glühendes Material sich ohne Forcieren verströmt – zumal ihr die kammermusikalisch agierenden Philharmoniker viel Raum zur Entfaltung lassen. Wieder einmal zeigt sich, dass kaum ein Dirigent so gut mit der Akustik der Philharmonie umgehen kann wie Valery Gergiev.
Michael Bastian Weiß


23.12.2019 München Philharmonie
Ludwig van Beethoven: 9. Symphonie d-moll (Ode an die Freude)
Münchner Philharmoniker
Dir.: Manfred Honeck

AZ vom 3.1.2020
Weltumarmung
Beethovens Neunte zum Jahreswechsel mit den Münchner Philharmonikern unter Manfred Honeck im Gasteig

Die Freudenmelodie ist bereits im Orchester erklungen. Noch einmal ertönt die Schreckensfanfare, mit der das Finale der Neunten beginnt. Der Bassist erhebt sich und bringt sie mit den Worten „O Freunde, nicht diese Töne!“ zum Schweigen, ehe der Chor die Freude besingt.

Es ist der entscheidende Moment in dieser Symphonie. Zu Silvester gelang er im Gasteig in der traditionellen Aufführung von Beethovens Symphonie Nr. 9 mit den Münchner Philharmonikern so gut wie selten. Denn Tareq Nazmi, der seine Karriere im Opernstudio der Bayerischen Staatsoper begann, hat eine wuchtige Stimme und dazu noch die Autorität für diesen Ordnungsruf wie kaum ein anderer Sänger.

Auch sonst war die Aufführung eine runde Sache. Manfred Honeck dirigierte die Themensplitter in den ersten Takten der Symphonie wie ferne Blitze eines nahenden Gewitters. Dann entlud sich das Drama, bisweilen etwas hektisch auf Kosten der lyrischen Momente des zweiten Themas. Eine drängend-deftige Version des Scherzo folgte, dann gab es die üblichen Durststrecken im langsamen Satz.

Honeck drängte stets vorwärts. Auch am Beginn des Finales, wenn manche Dirigenten dem Freudenthema Zeit lassen, sich langsam aus der musikalischen Ursuppe zu entwickeln. Aber diese Auffassung kann sich auf Beethovens Tempo „Allegro assai“ berufen. Hin und wieder flogen zwar auch die Späne, aber das Eingehen von Risiken ist für den Zuhörer bei Beethoven auf jeden Fall spannender wie allzu bequeme Sicherheit.

Der von Andreas Herrmann einstudierte Philharmonische Chor wahrte auch an den exponierten Stellen der musikalischen Weltumarmung den Wohllaut, ohne auch nur eine Sekunde bieder zu wirken. Erst kurz vor dem wilden Orchesternachspiel setzte Honeck mit Christiane Karg, Marie Henriette Reinhold, Werner Güra und Tareq Nazmi beim „sanften Flügel“ einen Ruhepunkt, auf den das furiose Orchesternachspiel mit klirrendem Schlagzeug folgte.

Bei allem Willen zur Lautstärke und zur geerdeten Ekstase blieben Honeck und die Philharmoniker einer konservativen Klangvorstellung mit großem Apparat ohne jeder historisierende Anwandlung treu. Dass auf diese Weise trotzdem elektrisierend musiziert werden kann, wird gelegentlich bestritten. Zu Unrecht, wie diese Aufführung bewies.

Robert Braunmüller


23.12.2019 München Philharmonie
Johann Sebastian Bach: Weihnachtsoratorium (Kantaten 1-6)
Orchester der Klangverwaltung
Dir.: Richard Egarr

SZ vom 27.12.2019
(...) Hier wird Spannung umgesetzt: Der Philharmonische Chor kann es nicht mehr aushalten, das Lob nicht in der Kehle lassen. Dieser brillante Eingangssatz bereitet vor, auf eine Interpretation des Weihnachtsoratoriums, die in ihrer Diesseitigkeit mitreißt. Das liegt am mustergültigen Gesang des Philharmonischen Chors - nicht homogen um jeden Preis, sondern präzise, durchsichtig und engagiert. (...)

AZ vom 27.12.2019
(...) Vollends im Mittelpunkt steht der Philharmonische Chor München bei Egarr mit der KlangVerwaltung. Zu Recht, denn er stellt in der Einstudierung von Andreas Herrmann die beiden anderen Ensembles in den Schatten: Alle Register, auch die Mittelstimmen, sind stark an Färbung, sodass man die einzelnen Stimmen nicht nur verfolgen, sondern auch hörend genießen kann. Das Tutti strahlt machtvoll und ist doch wunderbar warm timbriert. (...)


21./22./24.11.2019 München Philharmonie
Joseph Haydn: Nelson-Messe
Münchner Philharmoniker
Dir.: Omer Meir Wellber

München AZ vom 26.11.2019
Empfindung wagen
Omer Meir Wellber dirigiert in der Philharmonie die Münchner Philharmoniker und deren Chor:
Joseph Haydn und eine Uraufführung des israelischen Komponisten Ayal Adler
von Dr. Michael Bastian Weiß

(...) Die subtile Expressivität Adlers verträgt sich überraschend gut mit der ganz anders gearteten Musik von Joseph Haydn, die sie einrahmt. Die dunkle Symphonie Nr. 49 f-moll „La Passione“ spielen die Münchner Philharmoniker im Stehen – und können dennoch, anders als in vielen anderen Haydn-Interpretationen, die man zur Zeit hört, die Erregung dieses Werks in großer Ruhe und gleichzeitig mit spannungsvoll unterdrückter Erregung aus sich heraus entwickeln lassen. Warum aber leitet Wellber dann im zweiten Teil Haydns Messe Nr. 11 d-moll „Nelson“ vom Hammerklavier aus? Das kleine Instrument ist selbst in der 7. Reihe der Philharmonie praktisch nicht zu vernehmen, dafür lenkt sein somit sinnfreies Mitspielen Wellber davon ab, den Solisten, angeführt von der Sopranistin Camilla Tilling, in schwierigen Ensemblepassagen Orientierung zu bieten. Der ausgezeichnete Philharmonische Chor München lässt sich nicht irritieren, wenn er vom anderweitig beschäftigten Dirigenten nur mit Fingerzeigen oder einem bloßen Kopfnicken bedacht wird: Er erscheint absolut verlässlich, wie eine Eins. Chordirektor Andreas Herrmann erreicht mit starken Männerstimmen eine vollkommene Ausgeglichenheit der Register und überhaupt eine statuarische Klangmacht, die im „Kyrie“ zu angsterfüllter Dramatik gesteigert werden kann. Wie schon bei Adler, so empfiehlt sich auch bei Haydn das mitempfindende wie mitdenkende Zuhören.

Süddeutsche Zeitung (Kurzkritik) vom 23.11.2019
Israel im Klang
Omer Meir Wellber und die Philharmoniker im Gasteig München
VON ANDREAS PERNPEINTNER

Vor den Orchesterliedem „Alone, I return from The Night“ des israelischen Komponisten Ayal Adler gibt es beim Konzert der Philharmoniker im Gasteig eine Umbaupause. Haydns Symphonie „La Passione“ haben sie zuvor im Stehen gespielt; so entstand ansprechende Agilität. Der Vortrag war lebendig, die Gestik des Dirigenten Omer Meir Wellber war es auch. Nun schnappt er sich, während die Stühle aufgebaut werden, ein Mikrofon und erläutert, was einen bei der folgenden Uraufführung erwarten wird (die drei Lieder, in ihrer orchestrierten Neufassung ein Auftragswerk der Philharmoniker, sind ihm gewidmet): Israel sei ein Land der konkreten Erfahrungen. Das Positive sei dort sehr konkret zu erleben, die negativen Dinge auch. Die Musik, die nun folge, sei aber alles andere als konkret, sie sei atmosphärisch, man möge sie aufs Gemüt wirken lassen.

Mit dem atmosphärischen Charakter hat er Recht. Er entsteht durch Adlers farbige Instrumentationskunst und den klaren, eleganten Gesang der Sopranistin Hila Baggio, die die Texte des Dichters David Vogel schön einfängt. Natürlich enthalten die oft clusterartigen Klänge harmonische Schärfe, doch ist der vorherrschende Eindruck der von gläserner Transparenz - auch dadurch hervorgerufen, dass gleich zu Beginn das Glockenspiel so deutlich hervortritt. Doch unkonkret, wie von Wellber angekündigt, ist die Musik keineswegs - erst recht nicht, sobald das dritte Lied begonnen hat. „At The Gate of Darkness“ lautet sein Titel, und die eruptive Düsternis, die Adler dafür komponiert hat, ist prägnant.

Nach der Pause wird das Tor zur Dunkelheit mit Haydns „Nelson-Messe“ verschlossen. Getragen wird diese Darbietung vom vorzüglichen Philharmonischen Chor. Doch auch das Solistenquartett, allen voran Sopranistin Camilla Tilling (besonders schön: ihr Et incarnatus est), singt nicht minder gut. Wellber bringt zudem hübsch frische Tempovorstellungen ein. So glänzt die Musik wunderbar.

MM (23.11.2019): Mit bestens disponiertem Philharmonischem Chor (...)


3./4.10.2019 München Philharmonie / Gasteig
5.10.2019 Bratislava - Slowakische Philharmonie
Felix Mendelssohn Bartholdy: Symphonie Nr. 2 "Lobgesang"
Münchner Philharmoniker
Dir.: Thomas Hengelbrock

SZ (Süddeutsche Zeitung) vom 5.10.2019
Kurzkritik
Glückliches Ende
Die Münchner Philharmoniker unter Thomas Hengelbrock

(...) Dass der zweite Part der Symphoniekantate qualitativ herausragt, hat zu einem großen Teil der Philharmonische Chor unter Andreas Herrmann zu verantworten. Präzise, ausgewogen und dynamisch flexibel lassen die Sänger Jubelchöre strahlen. (...)

Münchner Merkur vom 6.10.2019
Hochrechnung
Thomas Hengelbrock bei den Münchner Philharmonikern
von Markus Thiel

Nachgeben könnte er ja auch. Sich anpassen an Gewohnheiten der Münchner Philharmoniker, an Tempovorstellungen und Traditionen. Tut Thomas Hengelbrock aber nicht. Und wer ihn einlädt, den bei Harnoncourt und der Alten Musik Sozialisierten, der kauft eben eine gute Portion Kompromisslosigkeit ein. Auch deshalb fasst dieses Gasteig-Konzert spät Tritt, erst im zweiten Satz von Mendelssohn-Bartholdys „Lobgesang-Symphonie“.

Plötzlich ist da alles nicht nur gewollt und oktroyiert, sondern erfühlt - Orchester und Dirigent finden im duftig nuancierten, wirklich „sprechend“ gespielten Allegretto zum gegenseitigen Geben und Nehmen. Hengelbrocks Zugriff, diese Transparenz-Offensive tut der verkappten Kantate gut: Kein Gesangsverein-Bombast, sondern ein nie überreiztes, oft sogar entspanntes Phrasieren. Obwohl der Philharmonische Chor in gewohnter Bataillonsstärke angetreten ist, klingt alles nach Kammerensemble. Bei Hengelbrock ist Mendelssohns Symphonie kein Manifest, sondern eine Folge liedhafter Nummern Die Sopranistinnen Christina Landshamer und Ágnes Kovács nehmen das nur zu gern auf, erst recht Tenor Andrew Staples, mit dessen erstem Ton der Abend eintritt in eine neue Dimension.
Schwieriger verhielt sich die Sache vor der Pause bei Mozarts „Jupiter Symphonie". Hengelbrocks forscher Zugriff, seine rasanten Tempi provozierten auch Überforderungen. Das wörtlich übersetzte „gehende“ Tempo im Andante zum Beispiel wurde zum Nordic Walking. Nicht alles war da auf Kante. Vielleicht auch, weil historisch informiertes Spielen in München immer noch Perestroika bedeutet und keine Selbstverständlichkeit. Als erste Hochrechnung fur ein exzellentes Ergebnis geht der Abend dennoch durch.

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