Saison 2003/2004

01.11.2003 | Halle, Festival
Johann Ludwig Bach | Unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist
Johann Ludwig Bach | Wir wissen, so unser irdisches Haus
Thomas Müller | Paulus vocatus
Thomas Buchholz | Konzert für Viola und Chor (Lacrymae)
Zoltán Kodály | Jezus és a kufárok
Gustav Mahler | Ich bin der Welt abhanden gekommen
Dirigent: Andreas Herrmann

Mitteldeutsche Zeitung vom 03. 11. 2003: Seite 8
Hallische Musiktage
Fest setzt auf Spannung von Tradition und Moderne
Eröffnungskonzert in der Marktkirche von Halle Kompositionen von Thomas Buchholz und Thomas Müller uraufgeführt
Von Sigrid Neef
Halle/MZ. (...) Beim Eröffnungskonzert mit Vokalkompositionen in Halles Marktkirche stand Johann Ludwig Bach (1677-1731) mit zwei Motetten in der Mitte des Abends, gerahmt von zwei Uraufführungen: »Paulus vocatus« von Thomas Müller und »Lacrymae« von Thomas Buchholz.
Dazu kamen Werke von Gustav Mahler und Zoltán Kodály (1882-1967). Das anspruchsvolle Programm gestaltete der Kammerchor des Philharmonischen Chores München unter der Leitung von Andreas Herrmann. Eingangs, bei Gustav Mahlers »Ich bin der Welt abhanden gekommen«, war vor allem den Sopranen die Kälte der Kirche noch anzumerken. Zunehmend zeigte der Chor aber nicht nur eine sichere Piano-Kultur, sondern auch ein breites Ausdrucksspektrum. In den Vertonungen der biblischen Korinther-Texte von Thomas Müller ist beides enorm gefordert.
Stilles Verklingen

Die tiefen Bässe, die hohen Tenöre, aber auch die Frauenstimmen müssen sich in den Überlagerungen, Einsprengseln und schwierigen Strukturen sicher zurechtfinden. Das wurde vom Ensemble gemeistert bis zum stillen Verklingen im Finale. Nicht nur sängerische Meisterschaft fordert die zweite Uraufführung. Thomas Buchholz' Konzert für Viola und Chor über den Begriff »tränenreich« ist in drei Teilen gehalten: Das lateinische »Lacrymosa«, das altarmenische »Lalaharatsch« und beider Verbindung. Ein dichtes Werk, in dem die Bratsche teils wie ein Fremdkörper aufsplittert, teils das Geschehen zitiert oder vorwegnimmt.
Das warme Feuer der Viola von Matthias Sannemüller kommentierte und spiegelte die chorischen Verläufe, Ineinanderschichtungen und zwei starke Frauensoli im Schlussteil. So wurde der Abend zu einem gelungenen Auftakt der Hallischen Musiktage, die einmal mehr spannende Vielfalt bieten.


24., 25., 26.01.2004 | Philharmonie im Gasteig
Arnold Schönberg | Friede auf Erden
Johannes Brahms | Ein deutsches Requiem
Dirigent: Lorin Maazel

Süddeutsche Zeitung vom 26. 01. 2004: Münchner Kultur
Souveräne Hand
Die Philharmoniker mit Lorin Maazel im Gasteig
Von Ulrich Möller-Arnsberg
(...) Ausgewogen in der Balance der Stimmen und facettenreich im Ausdruck präsentierte sich der Philharmonische Chor, der durch alle Register klar artikulierte. Maazel führte mit souveräner Hand durch die noch aus tonaler Schaffensphase stammende Motette Schönbergs. Und im anschließenden Requiem von Brahms erwies er sich als Meister großer Bögen und Stimmungswechsel. Jeden der sieben Teile, die von der Weisheit Salomos bis zur Offenbarung des Johannis reichen, durchleuchtete er nach stimmlicher und instrumentaler Gewichtung und entwickelte sie jeweils bis in den Schluss hinein mit enormer Spannkraft. Konzentriert und engagiert zogen die Philharmoniker mit.
Es entstanden effektvolle Momente – etwa der Wechsel vom furiosen »Hölle, wo ist dein Sieg!« zum devoten Fugenthema »Herr, du bist würdig«. Karita Mattila und René Pape, beide bereits vergangenen Sommer bei Levines konzertantem »Fidelio« gefeiert, gaben herausragende Solopartien. Mit strahlendem, lyrisch-dramatischem Sopran – allerdings nicht immer ganz verständlich – brillierte Karita Mattila in »Ihr habt nun Traurigkeit«. Und mit erzenem, sonorem Timbre gestaltete Bassist René Pape seine Partie.
Großer Applaus, vor allem für Andreas Herrmann, der den Chor einstudiert hat.

Münchner Merkur vom 26. 01. 2004: Kultur
Balancieren auf der Grenze der Tonalität
Lorin Maazel sprang für Levine ein
Von Gabriele Luster
Ganz auf den Philharmonischen Chor abgestimmt war das Abonnementkonzert der Münchner Philharmoniker im Gasteig. Schönberg und Brahms waren die beiden Säulen des Programmes und blieben es auch ohne James Levine, der wegen Erkrankung dieses und die folgenden Konzerte absagen musste.
Lorin Maazel war zur Stelle und übernahm das Deutsche Requiem und Schönbergs »Friede auf Erden«, (...) Schönbergs 1907 auf einen Text von Conrad Ferdinand Meyer komponiertes A-Cappella-Werk für gemischten. achtstimmigen Chor, auf der Grenze der Tonalität balancierend, ist eine echte Herausforderung. Die rund 130 Sängerinnen und Sänger des Philharmonischen Chores stellten sich ihr, vorzüglich vorbereitet von Andreas Herrmann, und beeindruckten in dem dichten Klanggewebe mit beachtlicher Intonationssicherheit.Sie beschworen die Friedensbotschaft der Engel, von Maazel ruhig zu den Höhepunkten geführt.
Auch in Brahms' Requiem ist der Chor die tragende Kraft, schweigt er selbst dann nicht, wenn die Solisten sich zu Wort melden. Karita Mattila und René Pape agierten höchst stilvoll, achteten auf instrumentale Führung ihrer charakteristischen, wohl tönenden Stimmen. Mit dem in allen Stimmlagen homogenen Chor und den engagierten Philharmonikern spannte Maazel das fern der lateinischen Liturgie angesiedelte Opus zwischen sehr menschlicher Trauer und Zuversicht. Eindruck machten nicht nur die im Forte auftrumpfenden Pauken und Posaunen, sondern auch die lichten Holzbläser.

tz München vom 26. 01. 2004: Kultur
Harmonie ist möglich
Von Sabine Arz
Menschen können in Harmonie miteinander leben? Für Schönberg nur eine Illusion – und dennoch vertonte er in seinem Chorwerk »Friede auf Erden« Verse des Dichters Conrad Ferdinand Meyer. Von Illusion war nichts zu spüren im Philharmonischen Chor unter Lorin Maazel, der für James Levine eingesprungen war: Überzeugend dargestellt, die äußerst schwierige Intonation gut bewältigt, alles gut artikuliert.
Die feine Linienführung wurde noch deutlicher in Brahms' »Deutschem Requiem«. Hier spannt sich der Bogen vom Leid zur Freude. Allerdings legten Maazel und die Philharmoniker mehr Wert auf die Freude: Sie nahmen den eigentlich düsteren und oft schleppenden Anfang in den tiefen Streichern eher leicht. Erstaunlich tänzelnd auch der zweite Satz, in dem die Vergänglichkeit des Irdischen thematisiert wird.
Trotzdem schreckte Maazel nicht zurück vor dramatischen Fortissimo-Ausbrüchen – und bewahrte so das Leichte davor, ins Leichtgewichtige abzudriften.
Ausdrucksstark auch die beiden Solisten: die Sopranistin Karita Mattila und der Bassist René Pape. Tosender Applaus in der Philharmonie.

Bayerische Staatszeitung vom 03. 02. 2004
Frei von Frömmelei
Maazel dirigiert Schönberg
Von Klaus Adam
»Ich fühle Luft von anderen Planeten«, wird Schönberg in seinem Streichquartett fis-Moll 1907 komponieren, einem der ersten Werke auf seinem Weg zur Atonalität; die Gedichtzeile Stefan Georges hat die Nachwelt als symbolische Formulierung für den folgenden schwersten Schritt in der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts genommen. Ein Jahr zuvor fühlte Schönberg noch die Luft unseres Planeten: die Vertonung des C.F.Meyer-Gedichtes »Friede auf Erden« wurde sein ausdrucksstarker Abgesang auf die Tonalität. Bei der musikalischen Potenz des Werkes ist Schönbergs Aufbruch zu neuen Welten, da »das schon Gesagte nicht mehr sagenswert ist«, nur schwer nachvollziehbar. Der Philharmonische Chor hatte sich mit seinem Leiter Andreas Herrmann die intonatorisch verzwickte a cappella Partitur so sicher zu eigen gemacht, dass Lorin Maazel, der für den erkrankten James Levine das Konzert kurzfristig übernahm, die Elitesänger wohl ohne viel Proben sensibel leiten konnte.
(...) Das Brahms-Requiem musiziert Lorin Maazel ohne tränenschwere Empfindsamkeit, herb, Dissonanzen hervorhebend, Effekte nicht scheuend, gespannt dramatisch statt in schönheitsseliger Ergriffenheit. Kraftvoll und groß Orchester und Chor im düsteren zweiten Stück, einem der gewaltigsten Todesgesänge der Musikliteratur, ergreifend die Heilsgewissheit. René Pape hatte das Visionäre, das Charismatische für die Worte aus dem 1. Korinther Brief, Karita Mattilas beseligender Sopran blühte auf in der Verheißung »Ich will Euch wiedersehen...« Der Beifall lässt vermuten, dass das Publikum diesen Wunsch an Lorin Maazel adressierte.


10., 12.07.2004 | Philharmonie im Gasteig
Richard Wagner | Parsifal
Dirigent: James Levine

Münchner Merkur vom 12. 07. 2004: Kultur – Bühnen
Orgie der Gemächlichkeit
James Levines konzertanter »Parsifal«
Von Markus Thiel
In der Villa Wahnfried, allerheiligste Heimstatt des Meisters, liegt eine aufschlussreiche Tabelle. Denn die kündet von Verblüffendem: Pierre Boulez durcheilte den »Parsifal« Anno 1970 in einer reinen Spielzeit von nur drei Stunden, 39 Minuten; 15 Jahre später verweilte James Levine fast 60 Minuten (!) länger in der Partitur. Wagners letztes Opus als Orgie der Gemächlichkeit: Vor allem dies blieb von Levines Bayreuther Deutung haften – und nun auch von der konzertanten Wiederauflage mit den Münchner Philharmonikern im Gasteig.
Luxus-Sound und bestechende Sänger
Dabei ist gegen die Tempi nicht viel einzuwenden. »Sehr langsam« notierte Wagner fast auf jeder Seite des ersten und dritten Aufzugs. Und wenn ein Orchester auf dem Podium sitzt, das Levines extreme Forderungen mit solch singulärem Klangbewusstsein, mit sämiger Opulenz, trennscharfen Entwicklungslinien und butterweichen Soli beantwortet, wird eine Aufführung zum Ereignis. Zumal die Philharmoniker ja »opernfremd« sind, die knappe Probenzeit an vielen Stellen also nur notdürftige Absprachen erlaubte. Was man merkte: Levines Zeichengebung wird immer minimalistischer, umso intensiver die Körpersprache der Stimmführer, die für Zusammenhalt sorgen müssen.
Mehr noch als viele andere Opern eignet sich der statuarische »Parsifal« fürs Konzert. (...) Ein großes Hör-Erlebnis: die fast homogene Fülle von Philharmonischem Chor, Männerchor des Bulgarischen Rundfunks und Tölzer Knabenchor, die Grals-Szenen wurden dadurch zu Höhepunkten der Aufführung. heftiger Jubel, manch ermatteter Abonnent war in den Pausen geflüchtet. Trotzdem ein Jammer, würden die Philharmoniker ihre Konzertanten Opern nicht fortsetzen – vielleicht mit »Tristan« und dem Dreigestirn Urmana/Botha/Thielemann?

tz München vom 12. 07. 2004: Kultur
Zwei Stimmwunder: Pape und Urmana
James Levines »Parsifal« in der Philharmonie
Von Julia Waldstein
Mit knapp fünf (!) Stunden ist Wagners letztes Werk »Parsifal« nicht nur die längste unter James Levines konzertanten Opernproduktionen mit den Münchner Philharmonikern, sondern auch eine der überzeugendsten – und über seine endende Amtszeit als Chefdirigent hinaus hoffentlich nicht die letzte.
(...) Der durch den Männerchor des Bulgarischen Nationalrundfunks verstärkte Philharmonische Chor trutzte mit Monumentalklang in den Gralsszenen, die Tölzer Knaben beglückten mit A-cappella-Kultur in Reinstform.
Ovationen in der Philharmonie.


16., 18., 19.07.2004 | Philharmonie im Gasteig
Gustav Mahler | II. Symphonie (Auferstehungssymphonie)
Dirigent: James Levine

Münchner Merkur vom 19. 07. 2004: Kultur – Bühnen
Echte Ovationen
Levines Abschied mit Mahler
Von Gabriele Luster
Es war ein großer, ein langer Abschied. James Levine, der scheidende Chef der Münchner Philharmoniker, verabschiedete sich in der letzten Abo-Serie (nochmal heute) mit zwei Mahler-Werken, dem »Lied von der Erde« und der »Auferstehungssymphonie«. Einerseits ein historisches Programm, da Bruno Walter 1911 die Uraufführung des »Liedes von der Erde« durch die Philharmoniker mit der zweiten Symphonie koppelte. Andererseits eine »neue« Eroberung, da das Orchester unter Sergiu Celibidache lange Jahre keinen Mahler gespielt hatte. Darüber hinaus verknüpfte dieses symphonische Programm großes Orchester mit Gesangssolisten und Chor, einer Kombination, die vor allem durch konzertante Opernaufführungen zu einem Schwerpunkt von Levines Münchner Arbeit geworden war. Die Rechnung ging auf, es wurde ein großer Abend.
(...)
Und der Philharmonische Chor, erweitert durch den Madrigalchor der Musikhochschule (Einstudierung Andreas Herrmann, Max Frey), murmelte aus dem Nichts heraus sein »Aufersteh'n«, bevor er sich mit Dorothea Röschmann (Sopran) und Anne Sofie von Otter in den Jubel der Gewissheit steigerte. Hernach Standing Ovations für alle Mitwirkende und dankende Abschiedsworte von Kulturreferentin Lydia Hartl an James Levine und den Intendanten Bernd Gellermann.

tz München vom 19. 07. 2004: Kultur
Ist alles nicht so schlimm
James Levines Abschiedskonzert als Philharmoniker-Chef mit einem Mahler-Abend
Von Matthias Bieber
Mit Musik sagt sich's besser; die obligatorische Abschiedsrede auf James Levine (von Kulturreferentin Lydia Hartl) war, wie üblich bei so einem Anlass, in Friede-Freude-Eierkuchen-Manier. Der scheidende Chefdirigent der Münchner Philharmoniker hingegen sagte es mit Mahler; und siehe da: Er bescherte den Zuhörern in der Philharmonie eines der schönsten Dirigate seiner über fünfjährigen Amtszeit. Standing Ovations.
Mahlers »Lied von der Erde« und die »Auferstehungssymphonie«. Die Philharmoniker spielten konzentriert, transparent und atemberaubend schön wie selten, zeigten alle Farben ihrer Klangpalette – und so entstanden prächtige Gemälde, schillernd und strahlend und von großer Wärme.
(...) ein Luxus-Konzert mit Solisten der Güteklasse A (Anne Sofie von Otter, Dorothea Röschmann, Johann Botha) und dem Philharmonischen Chor; James Levine hat sich ebenso eindrucksvoll wie charakteristisch verabschiedet: Mit einem Konzert von satten dreieinhalb Stunden Länge.

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