Saison 2000/2001
21.03.2001 | Prinzregententheater
Carl Orff | Osterspiel
Carl Orff | Carmina Burana
Dirigent: Andreas Herrmann
Münchner Merkur vom 23. 03. 2001: Bühnen
Der Teufel stammt aus dem Oberland
München: Ein doppelter Orff
Von Markus Thiel
Das war ja vorauszusehen. Dass dieser Reißer mit der eingebauten Jubel-Garantie alles Vorherige erschlägt; dass nach zweieinhalb Stunden im Prinzregententheater die Ohren nur noch von Orffs »Carmina Burana« klingeln (zumal auch Dirigent Andreas Herrmann beherzt am Dynamikregler fummelte). Doch, und da konnte der Philharmonische Chor noch so klangmächtig, präzise und textgenau glänzen: Ereignis des Abends blieb das einleitende »Osterspiel«, ebenfalls aus Orffs Feder.
Michael Lerchenberg hat es wiederentdeckt und gleich selbst – zischelnd, mit deftigem Charme und etwas dick auftragend – die Rolle des Teufels übernommen. Als Regisseur setzte er in diesem von kurzen Chören eingerahmten Schauspiel auf szenische Reduktion: Nur eine aufgestellte Holzplatte markiert das heilige Grab, vor dem sich die Soldaten die Zeit vertreiben, schließlich den hinkenden Mann in Schwarz zum Würfelspiel verführen. Aus aller Herren Länder, die Uniformen verraten's, scheinen die Wächter zu stammen, doch alle sprechen sie breitesten Dialekt Marke Oberland.
Orffs schöner, das Passionsgeschehen reflektierender, humoristisch durchwirkter Text tümelt nie, bleibt erfrischend ungekünstelt (»a hellische Mettn, a Hin und a Her vom Pontius bis zum Pilatus«). Und genauso natürlich spielen auch die fast durchweg jungen Schauspieler: Schützlinge Lerchenbergs, der als Dialekt-Dozent der hiesigen Theaterakademie die völlige Kapitulation des Bairischen vor dem Hochdeutschen verhindern soll. Dass hier nur eine einzige Aufführung angesetzt wurde, ist unverständlich, eigentlich absurd.
Ähnlich überzeugend die Besetzung der sündigen »Carmina Burana«: Ulrich Reß als erstaunlich höhensicherer Schwan vom Dienst, Eike Wilm Schulte mit durchdringendem Bariton und die junge, angenehm timbrierte und viel versprechende Sopranistin Christine Landshammer.
Andreas Herrmann, Chef des Philharmonischen Chores, hatte sein Ensemble gut präpariert, konnte überdies auf die Tölzer Knaben und eine zu allem entschlossene Junge Münchner Philharmonie – gut, ein paar Späne fallen immer – vertrauen. Anfangs schlug Herrmann etwas klebrige Tempi an (»Veris leta«), blieb, trotz Orffs Drastik, zu brav. Aber dafür verblüffte er mit einem übertourigen Saufchor, in dem seine Mannen den Text gerade noch unterbringen konnten. Ovationen, Trampeln – was sonst.
21., 22., 23.06.2001 | Philharmonie im Gasteig
Igor Strawinsky | Oedipus Rex
Dirigent: James Levine
Münchner Merkur vom 23. 06. 2001: Kultur – Musik
Das Divertimento als Offenbarungseid
Die Kombinationen des James Levine
Von Gabriele Luster
Mozart – so? (...) Auch wenn das Divertimento B-Dur KV 287 nie mehr war als eine sommerliche Gebrauchsmusik, (...) im Konzertsaal steigt die Erwartungshaltung – vor allem, wenn Philharmoniker am Pult sitzen. (...) Wenn das Resultat aber so verrutscht wie beim Jugendkonzert, wird die Aufführung zum Offenbarungseid.
Nach der Pause gab es immerhin ein eher selten gespieltes Werk zu bestaunen: Igor Strawinskys »Oedipus Rex«. Dieses in lateinischer Sprache gesungene, szenische Oratorium aus dem Jahr 1927 (in der revidierten Fassung von 1948) war mit seiner scharfen Rhythmisierung, den skandierenden Chören nicht nur richtungweisend für Orff. Es zieht immer noch in seinen Bann.
Vor allem der riesige Männerchor, in dem sich die Herren des Münchner Philharmonischen Chores mit den Chorsängern der Bamberger Symphoniker vereinten, imponierte. Die von Andreas Herrmann und Rolf Beck studierten Sänger ließen es weder an Volumen noch an rhythmischer Prägnanz fehlen und ernteten großen Applaus.
(...)
09., 12., 15.07.2001 | Philharmonie im Gasteig
Giuseppe Verdi | Otello
Dirigent: James Levine
tz München vom 11. 07. 2001: Feuilleton
Präzision bis zum bitteren Ende
James Levine dirigierte Verdis »Otello« konzertant in der Philharmonie
Von M. Bieber
Konkurrenz den Opern-Festspielen! Mercedes gab Geld und leuchtete dafür hell in Philharmonie und Foyer – die Oper hält´s ja bekanntlich mit BMW. Prominente gab´s zuhauf – nun gut, in der Oper lief »Fidelio«, da muss man nicht hin. Und dass James Levine seine Münchner Philharmoniker am liebsten das spielen lässt, was er selbst am besten kann, ist mittlerweile längst Realität: Oper nämlich.
Ein konzertanter »Otello« in Starbesetzung. Ben Heppner in der Titelrolle, der loslegte wie die Feuerwehr – aber gegen Levine keine Chance hatte, weil der das Orchester immer wieder viel zu laut spielen ließ. Heppner ermüdete, schleppte sich aber mit Anstand durch die mörderische Partie. Der helle Stern des Abends: Barbara Frittoli als Desdemona. Umwerfend bei Stimme, genau in der Phrasierung. Mit einer Wärme und Intensität, die in jedem Takt mitfühlen ließ.
Um die Frittoli scharten sich viele Kometen. Matthew Polenzani gab einen ausgezeichneten Cassio, Wendy White überzeugte als Emilia, Kristinn Sigmundsson war ein sonorer Ludovico. James Morris´ Jago war zuverlässig, wenn auch etwas zu hell timbriert fürs Abgrundböse. (...) Das Orchester spielte konzentriert und leidenschaftlich. Keine Wackler, Präzision bis zum bitteren Ende. Ebenbürtig: Der Philharmonische Chor nebst Carl-Orff-Chor.
(...)